Automobilbranche schaltet einen Gang zurück

Hat sich die Automobilindustrie im Südwesten bislang kaum von schlechten Wirtschaftsdaten und Krisennachrichten beeindrucken lassen, ist die Branchenstimmung im L-Bank-ifo-Konjunkturtest zuletzt umgeschlagen. Für den plötzlichen Pessimismus sind vor allem sinkende Zulassungszahlen in Deutschland und ein schwächerer Export verantwortlich. Von einer Vollbremsung kann zwar keine Rede sein, Hersteller und Zulieferer müssen jedoch ihr hohes Tempo drosseln.

In den vergangenen zwölf Monaten war die Autoindustrie in Baden-Württemberg stets optimistischer als das verarbeitende Gewerbe insgesamt. Von Mai bis Juni stürzte der L-Bank-ifo-Geschäftsklimaindex für die Branche jedoch von plus 19 auf minus 18 Punkte. Damit ist das Geschäftsklima nicht nur schlechter als in der Industrie insgesamt (plus 0,8), sondern auch erstmals seit Langem wieder im negativen Bereich.

Nachdem die deutsche Autoindustrie im vergangenen Jahr von Rekordmarke zu Rekordmarke gefahren war, sorgen die zuletzt schwächeren Absatzdaten offensichtlich für Ernüchterung: Im Mai wurden nicht nur in Deutschland weniger Autos als ein Jahr zuvor verkauft, sondern auch der Export gab nach, und zwar um deutliche 13 Prozent. Die Hersteller und Zulieferer im Südwesten stellen sich darauf ein, dass der Absatz auf den Auslandsmärkten auch in den kommenden Monaten stottern würde: Der Indexwert für die Exporterwartungen sank von 32 Zählern im Mai auf minus 12 im Juni.

Dennoch ist die Autoindustrie in Baden-Württemberg weit entfernt von einer Konjunkturkrise: Daimler verkaufte bis Ende Mai rund acht Prozent mehr Pkw als ein Jahr zuvor und peilt für 2012 weiterhin einen Absatzrekord an. Porsche legte seit Jahresbeginn weltweit sogar um 13 Prozent zu, wobei sich das Chinageschäft besonders bemerkenswert entwickelte: Im Reich der Mitte setzte Porsche in den ersten fünf Monaten fast 12.500 Fahrzeuge ab (plus 26,8 Prozent), das waren rund 5.000 mehr als in Deutschland und fast ebenso viele wie in den USA.

Um den Erfolg langfristig zu sichern, setzt die Branche im Südwesten konsequent auf Innovationen. Für Daimler-Chef Dieter Zetsche ist „im Neckartal das Silicon-Valley der Autoindustrie“ entstanden. Auch der Zulieferer und Weltmarktführer Bosch unterstreicht die Bedeutung von Forschung und Entwicklung: Allein in die Weiterentwicklung von Elektroantrieben und Batterien steckt das Unternehmen jährlich rund 400 Millionen Euro.

Die Forschungserfolge der Autoindustrie im Südwesten wurden mittlerweile auch in Berlin erkannt: Das „Living Lab BW E-Mobil“ schaffte es als eines von insgesamt vier Projekten ins „Schaufenster Elektromobilität“ der Bundesregierung. Die rund 120 Projektpartner im „Living Lab“ haben sich zum Ziel gesetzt, bis 2015 mindestens 3.100 Elektrofahrzeuge in der Region Stuttgart und Karlsruhe auf die Straße zu bringen. Der Bund fördert die ausgewählten Projekte in den kommenden drei Jahren mit bis zu 180 Millionen Euro. Die Innovationsfähigkeit der Automobilindustrie im Südwesten unterstreicht auch der Erfolg im Spitzencluster-Wettbewerb des Bundesforschungsministeriums. Der „Cluster Elektromobilität Süd-West“ wird bis 2017 mit 40 Millionen Euro gefördert. In diesem Zeitraum arbeiten die Cluster-Partner unter anderem an Projekten zur innovativen, kostengünstigeren Batterieherstellung.

Die Automobilhersteller und ihre Zulieferbetriebe beschäftigen in Baden-Württemberg derzeit (Stand 30. September 2011) über 203.000 Mitarbeiter. Damit ist die Branche nach Angaben des Statistischen Landesamtes der zweitgrößte Arbeitgeber im Land – der Maschinenbau steht mit knapp 290.000 Beschäftigten an erster Stelle. Die baden-württembergische Automobilindustrie erwirtschaftet annähernd 70 Prozent ihres Umsatzes im Ausland.

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